Unsichtbare Staatsverschuldung
Verdeckte Staatsverschuldung gleicht dem Eisberg-Prinzip

Um die öffentlichen Finanzen und die Staatsverschuldung insgesamt steht es schlechter, als es von der Regierung dargestellt wird. Dabei scheint eine aktualisierte „Generationenbilanz 2019“, die von der Stiftung Marktwirtschaft veröffentlicht wurde, die verdeckte („implizite“) Staatsverschuldung immer noch zu unterzeichnen.

„Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland hat sich im letzten Jahr deutlich verschlechtert. Aktuell liegt die Nachhaltigkeitslücke aus expliziten und impliziten Staatsschulden bei 226 Prozent des BIP. Damit übersteigt sie den Vorjahreswert von 146 Prozent des BIP um 80 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen entspricht die Nachhaltigkeitslücke einem Gesamtschuldenstand der öffentlichen Hand von 7,6 Billionen Euro. Der größere Teil – mehr als zwei Drittel – entfällt dabei auf die implizite, d.h. heute noch nicht direkt sichtbare, Staatsschuld. Sie beträgt 164,8 Prozent des BIP (5,6 Billionen Euro). Dahinter verbergen sich alle durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten staatlichen Leistungsversprechen für die Zukunft, insbesondere der Sozialversicherungen. Mit knapp 61 Prozent des BIP entfällt der kleinere Teil der Nachhaltigkeitslücke auf die explizite, schon heute sichtbare und offiziell ausgewiesene Staatsverschuldung.“ Zu diesen Ergebnissen kommt die jüngste Generationenbilanz für Deutschland, die am 5. Juli 2019 von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft und Leiter des Forschungszentrums Generationenverträge der Albert-Ludwigs-Universität der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der Eisberg ist noch größer

Die Generationenbilanz geht unter anderem von einer Untersuchung aus, welche die Stiftung im April 2019 ebenfalls unter Beteiligung von Prof. Raffelhüschen zum Thema „Ehrbare Staaten. Update 2018. Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Europa“ erarbeitet hatte. Deren Datenmaterial wiederum stützt sich für Deutschland auf einen „Altersbericht“ (Pension Projections Exercise 2018) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Beim Blick in dieses Dokument wird deutlich, dass eigentlich nur die Verpflichtungen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung ausreichend dokumentiert werden. Zwar gehen angeblich auch die Pensionsansprüche der Staatsbediensteten in die Übersicht (public cilvil service pensions) ein, jegliche Erläuterungen dazu aber fehlen. Auf Angaben zu den staatlichen Verbindlichkeiten aus der Riester-Förderung für Betriebsrenten wird „mangels zuverlässiger verfügbarer Daten“ gleich ganz verzichtet. Und die für die Verschuldung des Gesamtstaates ebenfalls zu berücksichtigende betriebliche Altersversorgung, insbesondere die nicht durch Rückstellungen gedeckten direkten Pensionszusagen, bleiben erst recht außen vor.

Das Nachhaltigkeitsranking der Stiftung Marktwirtschaft für die EU bemängelt, dass insbesondere die regierungsoffiziellen Darstellungen aus Frankreich und Italien „als äußerst fragwürdig einzustufen“ und „nicht plausibel zu erklären“ seien. Aber auch Deutschland „trickst“ und stellt die Lage und die Perspektiven rosiger dar, als ein ehrlicher Rundum-Blick ergeben würde.

Hoher Anteil der Beamtenpensionen an der Verschuldung

In der Generationenbilanz 2019 sind die Beamtenpensionen inklusive der Hinterbliebenenversorgung, der Beihilfen zur Krankenversicheurng und auch die Pensionen für Soldaten allerdings durchaus enthalten. Dies hat Prof. Raffelhüschen der diz AG auf Nachfrage persönlich mitgeteilt. Für die Berechnung wurden frühere Detailstudien der Universität Freiburg fortgeschrieben, allerdings mit einer vereinfachten Methode. Prof. Raffelhüschen zufolge beläuft sich die auf Beamtenpensionen zurückgehende Verschuldung der öffentlichen Hand langfristig auf ein Drittel bis zwei Fünftel des jährlichen Bruttosozialprodukts. Unberücksichtigt sind dabei jedoch noch die Pensionsverpflichtungen von Unternehmen in privater Rechtsform, die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören.

Quellen: https://www.stiftung-marktwirtschaft.de/inhalte/themen/generationenbilanz/
https://www.stiftung-marktwirtschaft.de/fileadmin/user_upload/Argumente/Argument_144_EU28-Nachhaltigkeitsranking_2019.pdf
Europäische Kommission (2018c), The 2018 Ageing Report: Economic and budgetary projections for the EU 28 Member States (2016–2070), Institutional Paper 079, Brüssel.  LINK :
https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&channel=trow&q=Europ%C3%A4ische+Kommission+%282018c%29%2C+The+2018+Ageing+Report%3A+Economic+and+budgetary+projections+for+the+EU+28+Member+States+%282016%E2%80%932070%29%2C+Institutional+Paper+079%2C+Br%C3%BCssel.
Darunter:
BMAS Berichtsteil für Deutschland: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/final_country_fiche_de.pdf

Graphik Eisberg: https://pixabay.com/de/illustrations/eisberg-wasser-blau-ozean-eis-1421411/

Graphik „Implizite Staatsverschuldung 2018“: : https://www.stiftung-marktwirtschaft.de/inhalte/presse-und-aktuelles/pressedetails/generationenbilanz-update-2019-fokus-pflegeversicherung/show/News/
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Marktwirtschaft